Schienen-HPV WM Laupen 1997

24.8.1997

Text und Bilder von Jürg Hölzle und Theo Schmidt, Future Bike CH 

Neuer Weltrekord!
Laupen (BE), 24. August 1997


Auf der stillgelegten Eisenbahnstrecke zwischen Laupen und Gümmenen erreichte der Schweizer Hansueli Russenberger vom Team Gridelli im 200m-Sprint eine Geschwindigkeit von 58.62 km/h. Der alte Rekord lag bei 57.37 km/h, erfahren von Katrin Ranger (D), 1994 anlässlich der HPV-Europameisterschaften in Laupen.

Das Siegerfahrzeug wurde gebaut von Romeo Gridelli aus Thayngen, einem unserer HPV- und Solarpioniere. 1994 hatte er noch ein paar technische Probleme und erreichte 'nur' 51.06 km/h. Das vollverschalte Fahrzeug ist ein asymmetrisches Vierrad, dessen Hauptrumpf auf der linken Schiene fährt, abgestützt durch zwei identische Räder auf der rechten Schiene. Als Räder kamen diesmal Hochdruckreifen (9 bar) zum Einsatz. 1994 fuhr das Team noch auf Aluminiumrädern, die sich damals nicht bewährten. Vier vertikale Rollenlager, die sich gegen die Innenseiten der Schienen abstützen, dienen als Führungen gegen Entgleisungen. Da die Schienenweite variiert, liefen diese Führungen teilweise vollständig frei oder sie wurden gegen die Schienen gepresst. Als Folge wurde das heranbrausende Fahrzeug immer durch ein hohes Singen begleitet...

Resultate

Fahrer

Team

1. Lauf
[km/h]

2. Lauf
[km/h]

Hansueli Russenberger

Gridelli

 

58.07

 

58.62

Peter Bretscher

Gridelli

 

54.83

 

55.24

Michael Graf

Stolz & Birkenstock

 

 

Das zweite Team von Robert Stolz (Zürich) trat mit einem neuen Fahrzeug an. Das asymmetrische Dreirad mit einer Verschalung von Birkenstock hat eine vielversprechende Zukunft vor sich. Leider hatten sie noch technische Probleme. Sie benutzten zur Führung des Fahrzeuges die Aussenkanten der Schienen, was bei den beiden Bahnübergängen zu Berührungen führte. Mit einer Eisensäge versuchten sie, die Bodenfreiheit zu erhöhen und Teammitglieder wurden gesehen, wie sie mit Schraubenziehern versuchten, die Holzschwellen bei den Bahnübergängen wegzuhobeln...!

Das dritte Team kam aus Frankreich (Noisy le Sec) und fuhr eine Rekonstruktion einer Vierrad-Draisine von 1916. Die Räder und Achsen waren Original und hatten keine Rollenlager sondern noch Gleitlager! Der Rahmen wurde anhand von alten Plänen und Museumsexemplaren nachgebaut. Als Antrieb mussten 4 Leute einen grossen Hebel betätigen.Es ist das System, das man aus alten Schwarzweissfilmen oder aus Comics kennt! Bis zu sechs weitere Personen können auf den Seitenbänken sitzen. Yves Marly und sein Team vom Eisenbahnerclub arbeitet hart und konnten das über 300 kg schwere Fahrzeug auf 26.77 km/h beschleunigen. Es schien, das die Übersetzung der grösste Hinderungsgrund für höhere Geschwindigkeiten war, und nicht der Widerstand. Fahrzeug und Besatzungen waren so stilecht; alte Lampen, ein manuell bedientes Horn und überall der Geruch von Öl und Fett!

Die Sensetalbahn hat selbst 3 Velo-Draisinen vom französischen Typ Valendaire gekauft. Diese vierrädrige Fahrzeuge bieten Platz für 2 Fahrer, zwei zusätzlichen Passagieren in der Mitte und Gepäck. Trotz ihres Gewichtes von 110 kg lassen sie sich erstaunlich gut bewegen und auf und von der Schiene nehmen. Die Sensetalbahn möchte diese Fahrzeug kommerziell einsetzen, d.h. man kann sie ab nächsten Jahr für die Fahrt zwischen Laupen und Gümmenen mieten. Die Übersetzung ist (wohl aus Sicherheitsgründen?) sehr kurz und sie lässt nur schlecht ändern. Theo Schmidt hat eine der Draisinen mit dem Tretlagergetriebe Mountain Drive umgebaut. So frisiert erreichte ein Zuschauerteam gute 30.01 km/h.

Die in Nordamerika üblichen Schienevelos waren diesmal nicht vertreten. Einzig Theo Schmidt benutzte ein Fateba-Langlieger, den er mit einem Adapter von Schienenvelo-Pionier Richard Smart ausgerüstet hat. Dieser von Bernard Magnouloux ausgeliehene Adapter, ein paar Rohre und Skateboardräder machten aus der guten alten Fateba ein brauchbares Schienenvelo. Die untenliegende Lenkung scheint ideal für diesen Einsatz, den sie erleichtert das Aufsteigen und stört auch dann nicht, wenn man einmal entgleist... Mit dem Smartkonverter lässt sich jedes Velo ganz einfach zum Schienenvelo umrüsten.

Leider reichte die Zeit nicht, neben dem reinen Geschwindigkeitswettbewerb, auch eine Prüfung für die Alltagsfahrzeuge durchzuführen.

Noch eine Bemerkung: Die Schienenstrecke wurde bezüglich Distanz und Neigung von einer ausgebildeten Fachperson vermessen und entspricht den Anforderungen der IHPVA. Die Zeitmessung war eine professionelle Einrichtung (ALGE-Timing) mit zwei Lichtschranken und Rechner. Die Strecke liegt auf 480 m.ü.M. Die Lufttemperatur lag bei 30 °C und alle anwesenden Vertreter der IHPVA können im Schweisse ihres Angesichtes bezeugen, dass während der ganzen Veranstaltung kein Hauch eines Windes spüren war...!

Team Gridelli

Schienen WM 97 Laupen (01)

Auf Rekordfahrt...!    On speed to a new record...!
 

Schienen WM 97 Laupen (02)

Vor einem der zwei "berüchtigten" Bahnübergänge.   Entering one of the "famous" level crossings.
 

Schienen WM 97 Laupen (03)

Peter Bretscher

Team Stolz & Birkenstock

 

Schienen WM 97 Laupen (05)

Ein Teammitglied (Andy Roth) versucht, etwas mehr Raum zwischen Schiene und Bahnübergang zu schaffen...
A team member tries to chip away at offending bits of wood with a screw-driver...

Draisine 1916

Schienen WM 97 Laupen (06)

Das französische Team von Noisy le Sec mit ihrer Draisine von 1916.
The French team from Noisy le Sec and its draisine from 1916.

Velo-Draisine "Valendaire"

Schienen WM 97 Laupen (07)

Zwei FB-Mitglieder benutzen die Velo-Draisine für den Transport von Werkzeug.
Two members of Future Bike use on of the bike drainines for transporting.