Besuch bei Future Bike Gründungspräsident Peter Ernst
Ralph Schnyder, Juli 2006
Mit Ausblick über die Föhrenwälder geniesst Peter Ernst seinen Ruhestand in Baguio, Philippinen. Als Gründungspräsident hatte er vor 20 Jahren mit viel Enthusiasmus den Verein Future Bike zur Welt gebracht. Innovative Mobilität beschäftigt ihn nach wie vor.
Mit "Sir Peter" wird er ehrenvoll im ruhigen kleinen Restaurant am Rande des Golfclubs begrüsst. Der Blick durch die Veranda schweift über die Föhrenwälder in der nebligen Abenddämmerung. Wir sind die einzigen Gäste. In unsere Regenjacken gehüllt halten wir uns warm. Denkt man an das tropische Inselreich der Philippinen, so rechnet man eigentlich nicht damit, dass es auch richtig kühl sein kann, selbst im Sommer.
In einer siebenstündigen Fahrt - optimistische Einheimische behaupten, dass man dies auch in 4 Stunden schafft - sind wir aus der Hauptstadt Manila in den Bergkurort Baguio gereist. Früher war hier das Sommerdomizil der Oberschicht. Peter kann uns genau darüber informieren, welche Angehörige des Marcos Clans wo ihre Villen hatten. Inzwischen fliegen diese natürlich lieber im Sommer in die Schweiz oder sonstwo hin, sodass Baguio stark zurückgehende Besucherzahlen aufweist.
Seit sechs Jahren hat sich Peter Ernst diesen Ort als neue Heimat ausgewählt. Bei jedem Mitgliederversand hatte ich mir vorgenommen ihn einmal dort zu besuchen und mir ein Bild davon zu machen, wie man seinen Ruhestand hier geniessen kann, fern von zuhause und ohne Angehörige. Als "Oldest Bachelor in Baguio" ist er, anders als viele andere Schweizer, die in den Philippinen leben, nicht mit einer philippinischen Frau verheiratet. Asien war aber schon lange vor seinem Ruhestand sein Zuhause, da er als Ingenieur viele Projekte in Asien betreute und nur zwischendurch wirklich in der Schweiz ansässig war.
In seinem grossen Appartement, in einem Mehrfamilienhaus auf einer der vielen Hügelkuppen, erzählt er uns einige seiner vielen Geschichten. Seine Wohnung ist ausgestattet mit vielen Kunst- und Kulturgegenständen von den verschiedenen Inseln der Philippinen. Auf meine Frage, was die roten und grünen Punkte an allen Gegenständen bedeuten, hat er eine einfache Erklärung: Das Appartement hat er möbliert gemietet, sodass es wichtig ist klar zu kennzeichnen, welche Gegenstände ihm und welche zum Appartement gehören.
Er kennt die Geschichte und Geografie des Inselreiches wohl besser als die meisten Leute hier. Erstmals seit zwei Jahren entfacht er für uns im Cheminee ein Feuer, damit wir uns aufwärmen können. Wir sitzen gemütlich ums Feuer, geniessen einen guten Tropfen Whisky, so wie dies wohl schon Generationen vor uns getan hatten. Als Europäer zählt man hier in den Philippinen per Definition zur Oberschicht. Die Monatsmiete des 4 1/2 Zimmer Appartements beträgt das dreifache eines normalen Monatslohnes. Trotzdem kann man sich dies mit der AHV locker leisten, dazu noch eine Haushälterin und eine Köchin. Entsprechend war er auch keineswegs überrascht, als ich ihn am Vorabend angerufen hatte und sagte, dass ich nicht alleine zu Besuch komme, sondern, dass neben meiner Frau Jane auch noch mein Schwager Edwin als Chauffeur sowie seine Frau mitkommen. Zwei Gästezimmer stehen für solche Fälle stets bereit, denn in den Philippinen ist man selten alleine.
Etwas indiskret werfe ich einen Blick in sein Schlafzimmer, denn durch den Türspalt hatte ich so etwas wie Skizzen und Fahrzeugmodelle erspäht. Das zweite Bett ist belegt mit vielen professionellen Zeichnungen und Skizzen. Effiziente Mobilität beschäftigt Peter Ernst nach wie vor.
Mit ausführlichen Zeichnungen hatte er in der wichtigsten Automobilzeitschrift der Philippinen sein Projekt eines erweiterbaren Autos mit einer ausklappbaren Ladefläche vorgestellt. Seine aktuellen noch unveröffentlichten Skizzen und Modelle beschäftigen sich mit einem Konzept, wie man bei öffentlichen Verkehrsmitteln den Platz noch effizienter nutzen kann. Allerdings, denke ich, wäre dies für die philippinische Busse und Jeepneys kaum nutzbar, denn dort wird normalerweise bereits der Raum bis zum letzten Kubikzentimeter mit Passagieren gefüllt, falls nötig auch noch auf dem Dach.
Muskelkraftfahrzeuge haben in den Philippinen traditionell einen grossen Anteil am Verkehr. In den Dörfern und in den Quartieren von Manila sind die Velos mit Seitenwagen das tägliche Transportmittel. Geräuschlos, abgasfrei und absolut kosteneffizient werden so Personen und Waren durch die schmalen Strassen transportiert. In Baguio funktioniert dies allerdings leider nicht, denn die Strassen gehen entweder steil nach oben oder unten, sodass ohne ein Motor kaum ein weiterkommen ist. Die Siedlungsplaner hatten sich diesbezüglich keine Gedanken gemacht, bei manchen Siedlungen hat man den Eindruck, dass die Planer davon ausgegangen waren, dass der Hügel flach ist. Strassen mit 20% Steigung sind keine Seltenheit. Umso mehr machen sich die Behörden nun Gedanken, wie sie die Abgaswolken in den Griff bekommen.
Als Ingenieur ist Peter Ernst natürlich auch im Ruhestand nicht stillgelegt. Er arbeitet aktiv in den Komissionen der Gemeinde Baguio mit, um kreative Lösungen zu den aktuellen Problemen zu finden. Auch mit 73 ist er immer dabei wenn es darum geht etwas zu verbessern und Misstände zu beheben. Auch bei der Retirement Authority, welche für die Vergabe der Visas für Pensionierte zuständig ist, kennt man ihn bestens. Die Politiker sind sich einig, dass es für das Land optimal wäre mehr Pensionäre aus aller Welt anzulocken, und entsprechend werden auch Kampagnen gestartet und Initiativen unterstützt. Vielleicht nicht zuletzt dank dem Engagement von Peter Ernst hat die Retirement Authority per Ende Mai 2006 die Voraussetzungen für ein Retirement Visa stark vereinfacht.
Die Frage, wieso Peter Ernst gerade die Philippinen als Land der Wahl erkoren hat, lässt sich ingenieurmässig gut nachvollziehen: Die Amtssprache ist Englisch, sodass man sich überall unterhalten und auch als Ausländer im öffentlichen Leben engagieren kann. Die Lebenshaltungskosten sind bei rund 1/3 der Schweiz, die Kosten für Dienstleistungen sogar noch tiefer, sodass man bereits mit der AHV komfortabel leben kann. Das Klima ist das ganze Jahr angenehm. Man kann innerhalb einer Fahrtstunde wählen zwischen dem tropischen Sandstrand und dem kühlen Bergklima.
Wer also die nächsten Ferien noch nicht geplant hat, weiss jetzt wo die Gastfreundschaft wartet. Peter Ernst freut sich über jeden Besuch, aber genügend Zeit einplanen, denn es gibt vieles in der Umgebung zu erkunden, unter anderem die berühmten Rice Terraces von Banaue.